Netflix – Ein sicheres Portal für Kinder und Jugendliche?

Fernbedienung die auf einen Fernsehbildschirm zeigt wo Netflix läuft
pixabay.com

Netflix ist ein US-amerikanisches Unternehmen, dass vor allem durch sein gleichnamiges Streamingportal für Filme und Serien bekannt geworden ist. Obwohl Netflix durch die Kooperation mit bspw. der Walt Disney Company über ein weitläufiges, kindgerechtes Angebot verfügt, warnen Experten: Wer Kinder und Schutzbefohlenen allzu unbesorgt auf der Streamingplattform Serien und Filme schauen lässt, setzt sie unter Umständen verstörenden Inhalten wie z.B. expliziter Gewaltdarstellung aus.

Kontroverse um „Thirteen Reasons Why“

Für eine Kontroverse sorgte vor kurzem die US-amerikanische Fernsehserie „Thirteen Reasons Why“ (dt. „Tote Mädchen lügen nicht“), über die BEE SECURE bereits berichtete. In der Serie nach dem gleichnamigen Roman erhält der introvertierte Schüler Clay nach dem Selbstmord seiner Schulfreundin Hannah dreizehn mysteriöse Kassetten zugespielt, auf denen Hannah die Gründe für ihren Selbstmord beschreibt. Nach und nach kommt Clay durch die Kassetten den dunklen Geheimnissen seiner Mitschüler auf die Spur und muss erfahren, dass auch er nicht völlig unbeteiligt am Selbstmord Hannahs gewesen ist. Die Serie über (sexuelle) Gewalt, Mobbing und Liebe verfolgt zwar einen redlichen Anspruch – nämlich auf die tragischen Synergien von Mobbing und Gewalt im Alltag zu verweisen –, geriet jedoch in die Kritik diverser Ärzteverbände und Jugendschutzorganisationen. Der amerikanische Psychologenverband riet Eltern etwa, die Serie mit ihren Kindern nicht anzuschauen, da die gezeigten Szenen bei Kindern psychische Schäden hinterlassen oder der Selbstmord Hannahs zur Nachahmung verleiten könnte; insbesondere, da der eigentliche Selbstmord Hannahs in der Szene perfekt choreographiert dargestellt wird (inklusive gestylter Haare und Make-up) und somit wohl kaum die tatsächlichen Umstände eines Selbstmordes wiedergibt. Die Entwickler der Serie reagierten auf die breitgefächerte Kritik, indem sie zu Beginn einer jeden Folge die Darsteller der Serie auf verschiedene Beratungsstellen hinweisen ließen. Zusätzlich wurde ein Making-of veröffentlicht, um noch einmal herauszustellen, dass die Inhalte der Serie nicht real sind und die Figuren lediglich Schauspieler. Kinder- und Jugendverbände kritisieren diese Maßnahmen jedoch weiterhin als unzureichend. Als Beleg führen sie den Anstieg von Anrufen bei Selbstmordpräventionsnummern und ähnlichen Angeboten an.

Mangelnde Sicherheitsbestimmungen bei Netflix?

Serien wie „Thirteen Reasons Why“, die klar an ein minderjähriges Publikum adressiert sind, machen es notwendig, über die Schutzfunktionen und Reglements von Neflix zu reflektieren. Anders als Fernsehformate oder Filmproduktionen unterliegen Streamingdienste keiner freiwilligen Selbstkontrolle, die Filme aller Art prüft und mit farblich markierten FSK-Stempeln versieht. In Luxemburg werden VOD Dienste von der ALIA reguliert:  « Les éditeurs […] sont soumis à une partie des obligations applicables aux opérateurs de services de télévision, notamment en matière de déontologie, de protection des mineurs[..]. » Onlineanbieter wie Netflix unterliegen zum Beipspiel in Deutschland allein dem „Jugendmedienschutz-Staatsvertrag“ (einer freiwilligen Selbstkontrolle haben sie sich nicht unterworfen). Der Vertrag sieht vor, bereits geprüfte Filme ab 16- oder 18-Jahren mit einer Kennung zu versehen. Zusätzlich muss der entsprechende Onlineanbieter einen Jugendschutzbeauftragten ernennen. Dass Netflix diese Auflagen jedoch möglichst zu seinen Gunsten auslegt, beweist etwa die Tatsache, dass bei Netflix-Eigenproduktionen oftmals jede Altersfreigabe fehlt. So werden sowohl von Kinder als auch Erziehungsberechtigten vermeintlich jugendfreundliche Formate wie etwa die Cartoonserie „Bojack Horseman“ – die durch den drolligen Zeichenstil auf den ersten Blick wie eine Disneyproduktion wirken kann – missdeutet; dass die Serie tatsächlich Sex, Alkohol und Drogen thematisiert, wird erst nach einigen Minuten ersichtlich.

Eltern und Schutzbefohlene sollten also bei Netflix genau auf die von den Kindern konsumierten Inhalte schauen. Um Kindern ein kindgerechtes Schauen zu ermöglichen, sollten die Tipps des luxemburgischen Gesundheitsministeriums, die sie in Form der Kampagne “Apprivoiser les écrans et grandir” vorstellen, beachtet werden. In Anlehnung an den französischen Psychoanalytiker Serge Tisseron schlägt das Ministerium vor, den Medienkonsum von Kindern an bestimmten Lebensabschnitten festzumachen („36912-Regel“). Um dem nachzukommen, bietet Neflix selbst einen Jugendschutzfilter. Eltern können einerseits ein spezielles Kinderprofil erstellen, das ihnen ausschließlich kinderfreundliche Produktionen anzeigt, und andererseits den Zugang zu Erwachsenen-Produktionen mit einem vierstelligen PIN-Code schützen. Allerdings tritt hier erneut das erwähnte Problem der freiwilligen Selbstkontrolle zutage. Da Netflix die Eigenproduktionen selbst mit Altersempfehlungen versieht, werden auch Serien wie „American Gods“, die bereits in der ersten Folge mit Sex und Gewalt aufwarten, mit einer Altersfreigabe von 16 Jahren versehen – und somit von einem auf eine Altersbeschränkung von 18 Jahren eingestellten PIN-Code nicht blockiert. Laut einer Stellungnahme von Netflix sind allerdings besonders brutale oder verstörende Produktionen mit dem Hinweis „Mitschauen erwünscht“ markiert. Die Internetseite Meedia berichtet allerdings, dass die Markierung selbst bei expliziten Horrorfilmen fehlt und dass Netflix eine entsprechende Stellungnahme verweigerte.

Was können Eltern und Pädagogen tun?

  • Möglichst sollten auch altersgerechte Filme bis zum Alter von zwölf Jahren von Eltern und Kindern gemeinsam angesehen werden. Bei Filmen, die etwa das Moralempfinden von Minderjährigen (bewusst) erschüttern, sollte im Nachgang die gesehenen Inhalte reflektiert und diskutiert werden; etwa, indem die Motive und Handlungen der Protagonisten hinterfragt werden.
  • Recherchieren Sie im Vorfeld über die Serien und Filme, die die Jugendlichen schauen möchten. Bereits das Lesen der Inhaltsangabe auf Wikipedia genügt bereits, um das Gefahrenpotential einschätzen zu können.
  • Konsultieren Sie im Zweifelsfall seriöse und vor allem unabhängige Filmbewertungsstellen wie etwa den Filmdienst oder medienkritische Seiten wie SCHAU HIN. Auch diese geben von Zeit zu Zeit Filmempfehlungen ab.
  • Nutzen Sie die entsprechenden Angebote von Netflix, um den Zugang von Kindern auf gewaltverherrlichendes oder explizites Material zu begrenzen. Eine entsprechende Anleitung finden Sie unter https://help.netflix.com/de/node/264.

 

Quellen: flimmo.de, kindergesundheit-info.de, bmfsfj.de